Stealth Notwohnhaus
wechselnd
›Stealth‹, das ist die Tarnkappentechnik, das ist die Möglichkeit, für den Feind unsichtbar zu werden. Die eigene Ortung zu erschweren, eigene Emissionen zu unterdrücken, in Heimlichkeit zu leben, seine Tarneigenschaften auszunutzen, das ist nicht nur tägliche Praxis im Militärischen – das könnte in Zukunft auch die einzige Möglichkeit sein, als Obdachloser in Deutschland zu überleben.
Die Versuchung, wegzuschauen, hart zu werden, ist groß: Das Elend hat zugenommen in Deutschland. ›Prekär‹ zu leben ist fast schon normal. Den Obdachlosen trifft es am härtesten: Er hat nicht einmal ein Dach über dem Kopf. Seit Mitte der 1990er Jahre wächst der Druck auf Obdachlose. Neue ›Leitlinien für den Umgang mit Nichtsesshaften‹ wurden erarbeitet: Sie werden schon heute an Orte verbannt, wo sie niemand sehen soll. Deutsche Städte werden gesäubert, um im internationalen Städtewettbewerb konkurrenzfähig zu sein. Stadtmarketing mag keine traurigen Gestalten.
Wenn die Politik nicht greift, kümmert man sich selbst: 2001 foltern fünf junge Männer den Obdachlosen Dieter Manzke in Brandenburg zu Tode, weil sie sich »gestört gefühlt« haben. 2002 setzen Polizisten in Stralsund einen stark betrunkenen Obdachlosen am Rande der Innenstadt bei eisiger Kälte aus. Er stirbt. Die Statistik beziffert annähernd 300 obdachlose Menschen als Opfer von Gewalttätern außerhalb der ›Wohnungslosenszene‹ in den letzten 20 Jahren. Nahezu 200 der Gewalttaten endeten mit dem Todesfall.
Das gezeigte Stealth Notwohnhaus ist Teil einer Geschichte, welche eine mögliche Zukunft imaginiert, in welcher Obdachlose systematisch verfolgt werden. Es ist ein künstlerisches Projekt, gedacht als ›Diskussionsmaschine‹ in Zeiten einer grassierenden Weltwirtschaftskrise. Das Notwohnhaus sieht aus wie eine Waffe – stellt aber einen Beitrag zum Dialog dar. Es soll Obdachlosen Schutz geben. Es macht das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Menschen zum Thema – in Zeiten, die härter werden.
- Ort
wechselnd - Jahr
2014 - Typologie
Design / Objekt - Status
realisiert - Team
Roger Christ I Julia Christ I Wolfram Emmert